Unsere Position zur IBA2027

Derzeit befindet sich die Stadt Backnang in der Planungsphase zu dem größten Bauprojekt in Backnang der vergangenen 50 Jahre. Die Stadt möchte gerne an der IBA2027, der internationalen Bauausstellung im Jahr 2027, teilnehmen. Hierfür hat sie sich das Ziel gesetzt, das Stadtquartier West komplett zu überplanen und neu zu bebauen.
Selbsterklärtes Ziel der IBA ist es, „im Präsentationsjahr 2027 Lösungsansätze für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu zeigen“. Dafür bietet die IBA den Teilnehmern die Möglichkeit Sondergenehmigungen für Bauunternehmungen zu erhalten. Außerdem wird in besonderen Einzelfällen eine Bezuschussung zu einzelnen Bauprojekten erteilt.
Das betroffene Quartier Backnang West erstreckt sich vom Technikmuseum bis zum Etzwiesenstadion, immer an der Murr entlang. So sollen hier gut
15 Hektar Fläche überplant und neu gebaut werden.

Obwohl ein solches Projekt viele gute Chancen bietet, muss man das Projekt derzeit aber leider sehr kritisch betrachten:

Für eine Stadt wie Backnang, die unter den immer stärker steigenden Mieten leidet, kann ein solches Projekt dazu beitragen, erschwinglichen Wohnraum auf den Wohnungsmarkt zu bringen. Dies ist derzeit absolut nötig, bereits jetzt ist es kaum noch möglich mit einem durchschnittlichen Gehalt eine annehmbare und bezahlbare Wohnung zu finden. Dies zeigt sich auch bei den städtischen Stellen: So beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf eine Sozialwohnung (außer in speziellen Härtefällen) derzeit über ein Jahr.
Auch in den von der Stadt ausgerichteten Bürgerworkshops ist der Ruf nach erschwinglichem Wohnraum sehr laut. Bei den ersten beiden Veranstaltungen gab es nicht eine Arbeitsgruppe, die keine entsprechende Forderung nicht in ihren Ausarbeitungen niedergeschrieben hätten.

Jedoch scheint die Stadt leider andere Pläne zu haben. Die Stadtverwaltung ist in den letzten Jahren nicht durch sozialen Wohnungsbau aufgefallen, die umgesetzten Bauprojekte führten stets zu einer Aufwertung der bestehenden Bebauung, die mit Mietpreissteigerungen einher ging.

Kritik am Projekt wird von der Stadt weitestgehend ignoriert, so gibt es auf den Veranstaltungen keine Möglichkeit Kritik zu äußern oder in einen direkten offenen Dialog mit den Organisatoren und den Vertretern der Stadt zu treten. Sämtliche Versuche ein entsprechendes Gespräch zu suchen stößt nur auf Ablehnung, zum Teil sogar auf aggressives Verhalten. Als eines der Gründungsmitglieder unserer Initiative versuchte, seine Kritik zu äußern wurde von Seiten der Moderation versucht ihn daran zu hindern und ihn zu unterbrechen.

Auch wenn die Bürger in den Workshops die immer gleichen Forderungen erheben, gibt es leider keinerlei Anlass zu glauben, dass diese sich auch später in der Planung und Bebauung wiederfinden. So ist jedem Bürgerworkshop jeweils ein Expertenworkshop nachgelagert, in dem die Ergebnisse noch einmal geprüft und ggf. auch angepasst oder gestrichen werden. Die von der Stadt ausgesuchten Experten sind zum einen Eigentümer der betroffenen Grundstücke, welche ein Interesse daran haben dürften für ihre Bauplätze möglichst hochwertige Gebäude bauen zu dürfen. Des Weiteren gibt es dort noch Externe, so zum Beispiel Architekten. Diese werden von der Stadt berufen und könnten am Ende des Prozesses eine wichtige Rolle erhalten. Somit sind diese auch weniger daran interessiert, den Wille der Bevölkerung abzubilden als vielmehr ihrem potenziellen Auftragsgeber das zu schildern was dieser gerne hört („Des Brot ich ess, des Lied ich sing…“).

Den Expertenworkshops sind dann wiederum Treffen der Stadt mit Mitgliedern der IBA und den Grundstückseigentümern nachgestellt. Hier werden die (bereits angepassten) Vorschläge aus der Bürgerschaft erneut besprochen und erneut ggf. angepasst oder gestrichen. Erst dort werden die Rahmenbedingungen verhandelt, die eigentlich von Anfang des Projektes an gelten würden. Somit haben Investoren hier ein leichtes Spiel, ihnen unliebsame Punkte wieder aus den Anforderungen zu entfernen, ohne dass man die Bevölkerung auf den Bürgerworkshops darüber informieren müsste.

Das dort ausgearbeitete Positionspapier wird dann dem Stadtrat übergeben, welcher erneut darüber beraten wird und Punkte anpassen oder streichen kann. Sobald sich der Stadtrat auf eine Ausarbeitung geeinigt hat, werden sie eine Ausschreibung für einen Architektenwettbewerb ins Leben rufen. Bei der Summe an Zwischenstationen gibt es kaum einen Zweifel daran, dass das ursprünglich von den Bürgern Erarbeitete dabei soweit entkernt und verfälscht wird bis es nicht wiederzuerkennen ist.

Und als wäre das nicht genug, so wird das Gremium, das über den Sieger des Architektenwettbewerbs entscheidet, von der Stadt berufen. Es gibt derzeit keine Aussagen dazu, dass es hier auch Vertreter aus der Bürgerschaft geben soll. Derzeit ist eher im Gespräch, die Jury mit Stadträten und Architekten zu besetzen. So bestimmt die Stadt nicht nur direkt über die Vorgaben des Wettbewerbs, sondern auch über deren Ausgang. Wie Eingangs schon erwähnt hat sich die Stadt in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert, wenn es um erschwinglichen Wohnraum ging. Darum liegt hier die Vermutung nahe, dass auch in diesem Projekt vorrangig hochwertiges Bauen realisiert werden soll.

Auch wenn man sich die bisherigen Zusammenstellungen der Ergebnisse der Workshops anschaut, wird einem schnell klar, dass hier vor allem beim Thema bezahlbarer Wohnraum stark gekürzt wurde. Nirgends finden sich klare Vorgaben nach erschwinglichem Wohnraum, es werden Formulierungen wie „durchmischte Gebiete“ vorgezogen, die für Interpretationen aller Art offen sind. Dass die Stadt die unzähligen Ideen der Bürger strukturieren muss steht außer Frage, aufgrund der Vorgeschichte der Stadt und im speziellen des Baudezernats muss man aber leider annehmen, dass es sich dabei nicht um versehentliche Fehler handelt, sondern ein gezieltes Vorgehen ist.

Wenn man betrachtet, wie viele Instanzen es nach den Bürgerworkshops gibt, kann man sich schon einmal fragen warum die Stadt diese Bürger-Workshops überhaupt ausrichtet. Dies ist jedoch auch schnell erklärt: Die IBA verlangt formal Bürgerbeteiligung bei den Projekten, sonst dürften sie sich nicht IBA nennen und erhalten auch keine Unterstützung. Jedoch gibt die IBA nicht vor, dass die Bürgerschaft auch Einfluss auf die Ergebnisse haben muss, weswegen sich die Stadt Backnang für einen Weg entschieden hat, bei dem die Bevölkerung das Gefühl bekommt, sie wäre von Anfang an eingebunden gewesen, jedoch ohne jemals realen Einfluss auf den Prozess gehabt zu haben.

Darum äußern wir deutliche Kritik an den Vorgängen. Entweder die Stadt wird ihrer Verantwortung gerecht und sie verabschiedet sich von diesem unwürdigen Prozess. Oder sie versucht diesen Weg weiter zu gehen, dann werden wir alles unternehmen, um sie dazu zu bewegen Politik für die Bürger zu machen die sie ursprünglich gewählt haben.

Wir kritisieren ausdrücklich nicht, dass die Stadt mithilfe der IBA dieses Projekt angeht. Die IBA hat in der Vergangenheit auch gute Projekte umgesetzt, die Mietpreise niedrig gehalten hat und eine lebendige Nachbarschaft erschaffen haben. Das Vorgehen der Stadt in diesem Prozess ist allerdings in keiner Weiße vertretbar, hier müssten die Verantwortlichen den Prozess beenden, und mit wirklicher Bürgerbeteiligung von Vorne starten.